Ärgerlich und aufsässig reagierten am vergangenen Mittwoch die Bewohner von New Orleans auf das vorgestellte Neubaukonzept für die vor über vier Monaten vom Hurrikan Katrina zerstörte Stadt. Die Kommission 'Bring New Orleans Zurück', von Bürgermeister Ray Nagin gegründet, veröffentlichte den Plan bei einer Veranstaltung in einem unbestuhlten Raum, zu der Hunderte von Bewohnern gekommen waren. Das Publikum war zu groß für den Raum und ergoss sich in die Flure des Sheraton Hotels, wo die Veranstaltung stattfand.
Nach diesem Plan dürfen die armen und zum größten Teil der Arbeiterklasse angehörenden Bewohner der am meisten betroffenen Gebiete, die gut zwei Drittel der Stadt einnehmen, und damit mehr als die Hälfte der Hausbesitzer, in den nächsten vier Monaten nicht zurückziehen und mit dem Wiederaufbau ihrer Häuser beginnen.
Nach Nagins Plan würde das Moratorium für die Baugenehmigungen am 20. Januar 2006 beginnen. Das riesige Gebiet der Stadt, das von dem Vorschlag betroffen war, umfasst große Teile von Gentilly, Mid-City, Lakeview und die Viertel des unteren neunten Bezirks (des sogenannten Lower 9th Ward).
Innerhalb dieser vier Monate würden die Bewohner zeigen müssen, dass genügend 'kritische Masse' in ihrem Viertel besteht - zum Beispiel durch den Beweis, dass die Hälfte der Bevölkerung die Rückkehr und den Wiederaufbau plant. Viertel, die dazu nicht in der Lage wären, würden entweder verkleinert oder ganz untergepflügt, und eine neue städtische Agentur, die Crescent City Redevelopment Corporation, würde den Hausbesitz entweder aufkaufen oder das Eigentum durch Enteignung beschlagnahmen. Diese Gebiete würden wieder in Feuchtgebiete und Grünflächen verwandelt. Für die geschätzten Kosten von 12 Milliarden Dollar würde die Stadt einen Rückerstattungsantrag an die Bundesregierung stellen.
Der Plan läuft auf eine kalkulierte und grausame Methode hinaus, die Teile von New Orleans mit geringem Einkommen zu entvölkern und nur die wohlhabenderen Gebiete und Touristenziele wiederaufzubauen. Es ist kaum zu bezweifeln, dass reiche Insider aus Washington und ihre Seilschaft irgendwann von örtlichen und staatlichen Politikern das Angebot bekommen, das leerstehende Land zu Dumpingpreisen zu erwerben und letzten Endes auf dem Immobilienmarkt große Gewinne zu machen.
Die Zehntausende der Arbeiterklasse angehörenden Einwohner von New Orleans, die ihrer Häuser und Arbeitsplätze verloren haben und als Folge der Inkompetenz der Regierung in der Katrina-Katastrophe über das ganze Land verstreut wurden, werden auf sich selbst gestellt sein. Das ist das Ergebnis von Präsident Bushs vor etwa vier Monaten im Fernsehen übertragenen Versprechen, die Stadt 'höher und besser' wiederaufzubauen.
Die Rolle Nagins, eines früheren Manager von Cox Communications und Demokraten, verdeutlicht die Vereinbarung zwischen der Demokratischen und Republikanischen Partei, alle Bemühungen um den Wiederaufbaus auf die Reichen zuzuschneiden und die der Arbeiterklasse angehörenden Hurrikanopfer preiszugeben.
'Es ist bestimmt nicht richtig, uns unser Eigentum wegzunehmen. Nur über meine Leiche' rief die im unteren neunten Bezirk wohnende Caroline Parker während der Anhörung am letzten Mitwoch. 'Wie ich schon sagte, noch bin ich durch Katrina nicht ums Leben gekommen.'
Viel von der Verärgerung der Bewohner zogen auch die Mitglieder der Kommission auf sich - besonders der reiche Bauunternehmer Joseph C. Canizaro von New Orleans, ein enger Freund Bushs und Schlüsselarchitekt des Plans.
Harvey Bender, ein arbeitsloser Wartungsarbeiter aus Ost-New-Orleans, hieb auf die versammelten Kommissionsmitglieder ein: 'Wie viele Leute von meinem Hinterhof sind da?' fragte er. 'Ich bin bereit zum Wiederaufbau, und ich werde Sie mir nicht meinen Besitz nehmen lassen. Ich werde kämpfen, was es auch kostet, meinen Besitz wiederaufzubauen... ich werde vor Gericht gehen, so wie ich in den Irak gehen werde, um das zu bekämpfen.'
Robyn Braggs, ebenfalls aus dem Osten von New Orleans, betonte, dass viele der früheren Bewohner immer noch im ganzen Land verstreut sind. 'Vier oder fünf Monate sind doch nicht genug Zeit, um alles Notwendige zu erledigen' sagte sie. Familien mit Kindern im Schulalter, fügte sie hinzu, 'würden die notwendige Arbeit nicht einmal bis zum nächsten Sommer tun können.'
Nagins Kommentar trug wenig dazu bei, die Spannungen im Raum zu lösen: 'Keiner von uns ist gerne hier, aber Katrina hat uns gezwungen, genau und streng hinzuschauen, was zum Wiederaufbau unserer Stadt getan werden muss' sagte er. 'Tatsache ist, dass wir nur begrenzte Ressourcen zum Wiederaufbau haben.'
Ein Besuch George Bushs am Folgetag in New Orleans unterstrich die Weigerung seiner Verwaltung, diese begrenzten Ressourcen zu erhöhen. Das Verhalten und die Kommentare des Präsidenten enthüllten seine persönliche Geringschätzung und sein Desinteresse am Leid der ärmsten Stadtbewohner nach der Katrina-Katastropohe.
Bei seinem ersten Besuch seit Oktober unternahm Bush eine zehnminütige eskortierte Autofahrt vom Louis-Armstrong-Flughafen zu einem nahegelegenen Treffen mit Geschäftsführern und ausgewählten Offiziellen im Lower Garden District, einem Gebiet, das keinerlei Anzeichen von Beschädigung durch den Hurrikan zeigt. Er hielt keine öffentliche Rede und beantwortete keinerlei Fragen.
Auch wagte er sich in keins der am meisten betroffenen Viertel. Er fuhr am Jackson Square vorbei, wo mehrere hundert Mädchen der Academy of the Sacred Heart in einer Protestaktion stärkere Dämme forderten. Das war der Ort, wo sich Bush am 15. September in einer Fernsehansprache zur Katrina-Katastrophe geäußert hatte.
In kurzen Bemerkungen für die Fernsehkameras nach dem Treffen mit der Geschäftselite der Stadt ignorierte Bush, dass große Teile des Stadtgebiets immer noch verwüstet und mit dem Schutt zerstörter Häuser bedeckt sind. Er schwärmte: 'Es mag für Sie schwer zu erkennen sein, aber im Vergleich zu meinem ersten Besuch erinnert mich New Orleans heute wieder an die Stadt, die ich oft besucht habe.' Er fügte hinzu, 'Es ist ein idealer Ort, um mit der Familie hinzufahren. Einfach großartig, mit einem der besten Essen der Welt und einer wunderbaren Stimmung. Und ich freue mich, dass Ihre Infrastruktur wieder ans Laufen gekommen ist.'
Eine derartige ignorante und kaltschnäutzige Dummheit spricht für sich selbst.
Bush wich Fragen aus zum Wiederaufbau des Dammsystems, damit es Hurrikans der Kategorien 4 und 5 widerstehen würde. (Katrina, ein langsamer Wirbelsturm der Kategorie 3, überschwemmte das Dammsystem. Die Dämme von New Orleans wurden allgemein als ausreichender Schutz gegen schnelle Wirbelstürme der Kategorie 3 angesehen.) Er sagte nur, dass die Stadt 'ein stärkeres und besseres System als bisher' brauche. Tatsächlich gibt es aber keinerlei Pläne, die Dämme zu verstärken, damit sie einem neuen Wirbelsturm von der Stärke Katrinas widerstehen können.
Er kündigte die Unterstützung seiner Regierung an - 3,1 Milliarden Dollar in Bundesfonds zur Reparatur und Verstärkung der Dämme. Aber Experten schätzen, dass es über 32 Milliarden Dollar kosten würde - über zehnmal mehr als was die Regierung auszugeben bereit ist - die Dämme, Entwässerungskanäle und Pumpen der Stadt soweit zu verbessern, dass sie Schutz der Kategorie 5 bieten.
Von den 462.000 Menschen, die vor Katrina in New Orleans lebten, wohnen zur Zeit nur etwa 144.000 dort - weniger als ein Drittel. Unter den Gegenden, die wieder ins Leben zurückgekehrt sind, sind das French Quarter und die gehobenen Viertel. Viertel wie der untere neunte Bezirk sind immer noch von Millionen Tonnen giftigem Geröll bedeckt. Es sind wohlhabende Stadtbewohner und Touristen, die sich in der kommenden Karnevalssaison das 'großartige Essen' und die 'wunderbare Stimmung' teilen können, die Bush angekündigt hat.
Erst eine im letzten Augenblick ergangene Verfügung des Bezirksgerichts zwang die Federal Emergency Management Agency, die Katrina-Evakuierten auch bis Mardi Gras (Karnevalsdienstag, 28. Februar) in den Hotels der Gegend zu dulden, wenn sie nirgendwo sonst hingehen können.
Hunderttausende Bewohner der Golfküste bleiben obdachlos: 672.000 Evakuierte bekommen immer noch Mietbeistand von der FEMA, und etwa 80.000 Haushalte leben in Ausweichquartieren.
Der Eckstein von Bushs Plan für die Golfküste ist der Gulf Opportunity Zone Act von 2005, der im letzten Monat durch seine Unterschrift zum Gesetz wurde. Basierend auf der abgedroschenen Weisheit, dass das freie Unternehmertum und die 'Magie des Markts' der Schlüssel zur Genesung sind, sieht das Gesetz Steuererleichterungen vor für Geschäfte, die durch Katrina getroffen wurden. Der Kongress hat acht Milliarden Dollar von geschäftlichen Steuererleichterungen für die Region verfügt.
25 Milliarden Dollar hat die Regierung bis heute für Hilfsmaßnahmen für den Hurrikan Katrina ausgegeben, die schwerste Umweltkatastrophe in der neueren Geschichte der Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: Nach Schätzungen wurden bisher allein bisher 250 Milliarden - das Zehnfache - für den Irakkrieg aufgewendet. Eine neuere Studie zweier führender Wirtschaftswissenschaftler errechnet, dass der Krieg insgesamt ein bis zwei Billionen Dollar verschlingen wird.
Eine kürzlich im Er schreibt, dass das Marschland in den frühen Jahren des zwanzigsten
Jahrhunderts niemals hätte entwässert werden dürfen, und dass
dort niemals Häuser hätten gebaut werden sollen. Glassman
argumentiert: 'Es war die Bauplanung - besonders die entsetzlichen
Sozialsiedlungen, die großenteils von Katrina zerstört wurden, das
blamierende Schulsystem, der Superdome und andere verschwenderische
staatliche Bauvorhaben - die die Stadt zurückhielten.' Glassmann
schließt mit dem perversen Gedanken, die Nachwirkungen der
Katrina-Tragödie biete 'die aufregendste städtebauliche Gelegenheit
seit San Francisco 1906.'
Auf die Bedürfnisse von Kommunen, die durch eine Katastrophe von
derartigen Ausmaßen getroffen wurden, kann man in der modernen
Massengesellschaft nur national und international organisiert und koordiniert
reagieren - auf Grundlage präzisester Planung und dem Gemeinwohl
verpflichtet statt privatem Gewinn.
Zum mindesten hätten die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt
werden müssen, um Arbeitsplätze und Nothilfe zu schaffen, damit den
Opfern der Wiederaufbau ihrer Häuser ebenso möglich ist wie die
Wiederherstellung der soziale Infrastruktur von Schulen, Krankenhäusern
und Kulturinstitutionen.
Die Reaktion der Regierung Bush, des Kongress und der örtlichen
Offiziellen auf Katrina zeigt nicht nur, dass das existierende
Zweiparteiensystem kein Interesse daran hat, eine derartige schwierige Aufgabe
zu bewältigen, sondern auch, dass das kapitalistische Profitsystem, das
diese beiden Parteien verteidigen, ein solches Unternehmen unmöglich macht.