Originaltext: | www3.sympatico.ca/clasper/howgood.htm |
Version des Originals: | April 1989 |
Version der Übersetzung: | 2007-07-01 |
Autor der Übersetzung: | Martin Ingenhütt |
[Anmerkung des Übersetzers: Das Original dieses Artikels wurde 1989 im Zip Coder Magazine veröffentlicht.]
In einem kürzlich veröffentlichten Artikel hat Bill Heimann den Unterschied zwischen high-quality- und high-level-Tanzen exzellent verdeutlicht. Ich erlaube mir hier einmal, die (zumindest die für mich) wesentlichen Punkte dieses Artikels zusammenzufassen, um sie als Startpunkt für meine eigenen Anmerkungen zu verwenden. Bill findet folgende Aspekte:
Mein Ziel ist hier nicht eine Kritik von Bill Heimanns Artikel, sondern darauf aufzubauen; daher verstehen sich diese Punkte mehr als eine Gedächtnisauffrischung. Wer Bills Artikel noch nicht gelesen hat, dem möchte ich ihn sehr ans Herz legen [Anmerkung des Übersetzers: Ein Artikel von 1988; die englische Originalversion findet sich auf www.lynette.org/ lookours.html].
Beim Lesen von Bills Artikel war das erste, was mir auffiel, dass seine Liste von Kriterien für einen 'guten Tänzer' eigentlich aus einem einzigen Punkt bestand, mit einer Anzahl unterstützender Merkmale. Die meisten von Bills Kriterien waren im Grunde Spezialfälle von seinem ersten Punkt: Bessere Tänzer machen weniger Fehler. Ich glaube, bessere Tänzer machen weniger Fehler, weil sie ein gutes Verständnis der Grundlagen haben, weil sie sich anpassen können und mit geometrischer Verzerrung klarkommen, weil sie präzise sind, Fehler erkennen und reparieren können. Außerdem tendieren Tänzer, die wenig Fehler machen, zu Selbstvertrauen und dazu, anderen zu helfen. Daher denke ich, dass sich Bills Liste eigentlich auf einen einzigen Aspekt eindampfen lässt: Bessere Tänzer machen weniger Fehler.
Obwohl ich nicht behaupten möchte, dass eine geringe Fehlerrate die einzige Qualität eines guten Tänzers ist, scheint das Fehlerniveau, das Tänzer an den Tag legen, eindeutig das wichtigste Kriterium zur Beurteilung ihrer Tanzfähigkeit zu sein. Wenn das so ist, halte ich es für lehrreich, die 'Leistung' der Tänzer aus diesem Blickwinkel zu untersuchen. Wie viele Fehler können von einem kompetenten Tänzer vernünftigerweise im Laufe eines Abends erwartet werden? Wieviele Sequenzen in einem Tip sollte ein Square normalerweise erfolgreich ausführen? [Anmerkung des Übersetzers: Mit Sequenz ist hier eine Folge von Calls gemeint, die in der Homeposition beginnt und endet.]
Zuerst müssen wir definieren, was wir unter einem 'Fehler' verstehen. Ich spreche nicht von kurzem Zögern oder einem falschen Start. Ich meine hier die tödlichen Fehler, die den Square bröckeln lassen. Ich nenne dies einen fatalen Fehler. Ich definiere einen fatalen Fehler folgendermaßen:
Eine falsche Handlung (oder gar keine Handlung), die
Meine Frage ist also: Wie viele derartige Fehler sind bei einem kompetenten Tänzer akzeptabel?
Beim Überlegen wurde mir schnell klar, dass es keine einfache Antwort gibt. Es ist einfach, zwei zu sagen. Oder siebzehn. Oder neunundachtzig - aber ohne eine Bezugszahl hat die Zahl selbst keine Bedeutung. Die zugrundeliegende Annahme in unserer Beschäftigung mit Fehlern beim Tanzen ist, dass Fehler unmittelbar zum Zusammenbrechen von Squares beitragen, und dass zusammengebrochene Squares die Tänzer in Zuschauer verwandeln, die den anderen Squares beim Tanzen zugucken. Wir gehen hier davon aus, dass der Anteil der Zeit, die die Tänzer mit Zugucken verbringen, inakzeptabel zunimmt. Dieser Gedankengang macht aus meiner Ausgangsfrage zwei:
Die erste Frage ist eine Sache der persönlichen Einschätzung, aber die zweite ist einer Analyse zugänglich. Wenn wir diese Analyse vornehmen, sind wir möglicherweise besser imstande, die für die erste Frage notwendige Einschätzung vorzunehmen. Zunächst müssen wir unsere Begriffe so quantifizieren, dass eine Analyse möglich wird.
Da wir uns mit der Anzahl der Fehler beschäftigen, die Tänzer machen, ist es nützlich, diese als eine Fehlerrate zu quantifizieren, indem wir die Anzahl der getanzten Sequenzen als Basis nehmen. Wenn zum Beispiel ein Tänzer Fehler im Verhältnis von einem Fehler pro fünf Sequenzen macht, folgt daraus, dass er (sie) vier von fünf Sequenzen fehlerlos tanzt. Mit anderen Worten kann man sagen, der Tänzer führt achtzig Prozent der gecallten Sequenzen fehlerlos aus. Dieser Wert kann auch als Ausdruck der Wahrscheinlichkeit aufgefasst werden, mit der dieser Tänzer irgendeine beliebige Sequenz erfolgreich tanzt. Im weiteren werde ich einen solchen Tänzer als einen '80-Prozent-Tänzer' bezeichnen.
Nun wollen wir einmal untersuchen, wie gut Tänzer mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten für das fehlerfreie Tanzen dies voraussichtlich auch tun werden. - Angenommen, dass jeder Tänzer des Squares neunzig Prozent der Sequenzen ohne fatalen Fehler tanzt. Eine Rate von neunzig Prozent gilt in der Schule normalerweise als ziemlich gut. Im Zusammenhang mit dem Tanzen bedeutet dass, dass man eine Sequenz von zehn 'in den Sand setzt'. Was uns interessiert, ist die Wahrscheinlichkeit, mit der acht Tänzer - jeder einzelne zu neunzig Prozent fehlerfrei - es durch eine Sequenz schaffen, ohne dass einer davon einen Fehler macht.
Die Statistik sagt, dass die Formel für diese Berechnung das Produkt der
Einzelwahrscheinlichkeiten ist. Also kann ein Square, der ausschließlich
aus 90-Prozent-Tänzern besteht, mit folgendem Ergebnis rechnen:
|
Weniger als die Hälfte der Sequenzen!
Oder, in anderen Worten, sie würden mehr als die halbe Zeit stehen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele das Zugucken für mehr als die Hälfte der Zeit als befriedigend bezeichnen werden.
Wir wollen dies einmal aus einem anderen Blickwinkel sehen. Angenommen, wir
beziehen unsere Zahl '90 Prozent' auf den Gesamtsquare statt auf die
Einzeltänzer: Wie gut müssen die Tänzer tanzen, um 90 Prozent
aller Sequenzen zu schaffen? - Wir suchen also eine Zahl n, für die
gilt:
|
Wenn man das ausrechnet, ergibt sich n = 0,987 oder 98,7 Prozent. Damit also der ganze Square 90 Prozent schafft, muss jeder Einzelne mit 98,7 Prozent Wahrscheinlichkeit richtig tanzen!
Das scheint eine sehr hohe Leistung - schließlich bekommen in der Schule nur geniale Schüler 98,7 Prozent der möglichen Punkte. Wenn man bedenkt, dass ein durchschnittlicher zweieinhalbstündiger Tanzabend aus sieben bis acht Tips von jeweils zehn oder zwölf Sequenzen besteht - und wenn dieser 98,7 Prozent repräsentiert, bedeutet das höchstens einen Fehler pro Abend.
Vielleicht schießt der Versuch, einen neunzigprozentigen Erfolslevel für den Square als ganzes zu erzielen, über das Ziel hinaus - dennoch: Wir haben schon gesehen, dass 90-Prozent-Tänzer mehr als die halbe Zeit stillstehen werden - also ist es klar, dass jeder Wert, den wir ansetzen wollen, höher sein muss.
Inzwischen werden viele Leser sich sagen: 'Aber das macht doch keinen Sinn! Ich habe in Squares mit vollständig unfähigen Tänzern getanzt, und wir haben dennoch die meisten Sequenzen hingekriegt. Diese Zahlen können einfach nicht stimmen' - und natürlich tun sie das auch nicht!
Was die oben angestellten Berechnungen nämlich übersehen, ist, dass viele (wenn nicht die allermeisten) Fehler korrigiert werden, bevor der Square sich auflöst. Tatsächlich werden, wenn sich die Tänzer gegenseitig gut kennen, viele Fehler vorweggenommen und verhindert, bevor sie gemacht werden. Das heißt, es gibt im Square Tänzer, die nicht nur ihren Part fehlerlos tanzen, sondern auch zumindest einige der Fehler der anderen korrigieren.
Eine andere Sichtweise ist hier, dass Tänzer, die andere korrigieren, mehr als hundert Prozent tanzen. Sie tanzen ihren eigenen Part zu hundert Prozent, plus einige Dinge, die eigentlich von anderen Tänzern auszuführen wären. Nehmen wir zum Beispiel an, wir haben einen Square aus sechs Hundert-Prozent-Tänzern und einem siebten, der achtzig Prozent tanzt. Wenn der Achte ebenfalls 100 Prozent tanzt, gelingen dem Square 80 Prozent der Sequenz. Aber wenn der achte Tänzer alles von seinem Part tanzen kann und zusätzlich die Hälfte der Fehler des siebten Tänzers repariert, könnte der Square 90 Prozent Erfolg haben. Daher kann man argumentieren, dass der achte Tänzer 110 Prozent tanzt; 100 Prozent für sich selbst plus 10 Prozent der Verantwortlichkeit des siebten Tänzer. Wenn einer der anderen Tänzer dieses Kunststück ebenfalls hinbekommt, dann könnte der Square theoretisch eine hundertprozentige Erfolgsrate erreichen, trotz der Anwesenheit eines 80-Prozent-Tänzers.
Dieses Phänomen ist ein integraler Bestandteil des Tanzprozesses. In der Mehrzahl der Fälle, wenn ein Tänzer einen Fehler macht, ist ein anderer Tänzer imstande, ihn zu korrigieren und den Schaden für den Square zu vermeiden. Dieser Prozess ist wesentlich für einen gesunden Square und ist ein völlig normaler Bestandteil guten Tanzens. Dennoch: Pathologisch wird es, wenn die Hilfe immer in die gleiche Richtung fließt. Anstelle eines bi-direktionalen Zusammenspiels haben wir eine Person, die ständig hilft und eine andere, die immer am empfangenden Ende steht.
Ich glaube, dass dieser letzte Aspekt gerade ins Zentrum des Themas Tanzqualität trifft. Wenn man die Tänzerbevölkerung in irgendeinem beliebigen Tanzprogramm untersuchen müsste, könnten man die Fähigkeiten der Tänzer in drei Kategorien einteilen:
An dieser Stelle ist es wichtig zu verstehen, dass alle drei Kategorien notwendig sind. Manche denken vielleicht, wenn wir uns der Tänzer der ersten Kategorie entledigen, sind unsere Probleme gelöst. Überhaupt nicht! Man sieht schnell, warum, wenn man sich die drei Kategorien noch einmal anschaut und sie als drei Phasen betrachtet, durch die ein Tänzer hindurchgeht, wenn er nach und nach lernt, ein gegebenes Programm zu beherrschen. Daher wären in einer idealen Welt die Leute in Phase 1 jeweils die Neulinge in diesem Programm. Weil es eine Menge Dinge in den A- und C-Programmen gibt, die nur durch Erfahrung gemeistert werden können, kann man bei den Neuen höhere Fehlerquoten erwarten. Sogar, wenn dein Verstand Magic Diamonds kapiert hat, wie oft musst du noch in die Situation kommen, um solche Sachen ohne jeden Aufwand zu tanzen?
Also können wir die Phase-1-Tänzer nicht einfach loswerden - sie sind die Zukunft! Weil sie aber Hilfe brauchen, müssen sie durch eine angemessene Anzahl von Phase-3-Tänzern ausgeglichen sein. In einer perfekten Welt wäre jedes Programm immer ausgestattet mit Tänzern aus allen drei Phasen in ausgeglichenen Proportionen - beispielsweise 20 Prozent in Phase 1, 60 Prozent in Phase 2 und 20 Prozent in Phase 3. Aber die Welt ist nicht perfekt, und hier liegt der Kern unseres Problems. Wegen des Drucks, von Programm zu Programm aufzusteigen, kürzen viele Leute die drei Phasen ab. Sie steigen von Phase 1 zu Phase 2 and gehen dann weiter zum nächsten Programm (wo sie natürlich wieder in Phase 1 sind). Weil dies sich immer weiter verbreitet, fängt der Anteil der Phase-3-Tänzer in allen Programmen an zu erodieren, was die Hilfe vermindert, die für die neuen Tänzer zur Verfügung steht. Ohne die notwendige Hilfe schreiten die Phase-1-Tänzer langsamer fort nach Phase 2 - oder überhaupt nicht.
Jetzt kommt der hinterhältige Aspekt dieses Prozesses! Neue Tänzer, die in einem Tanzprogramm ankommen, finden keine Phase-3-Tänzer vor als Hilfe zum Kompetentwerden: 'Anscheinend weiß in diesem Programm keiner, was er tut.' Aber natürlich wissen wir alle, dass die besseren Tänzer in irgendeinem höheren Programm als wir selbst tanzen - die Antwort ist also, schnell die Calls auf der Liste für den nächsten Level zu lernen und weiterzugehen. Dieser Prozess führt dazu, dass Tänzer, die erst einmal C1 meistern müssten, plötzlich auf C3-Veranstaltungen auftauchen.
Wie Bill Heimann gegen Ende seines Artikels sagt, ist es Zeit mit unserem Tun aufzuräumen. Wir müssen anerkennen, dass wir mit unserer Anwesenheit auf einer Veranstaltung irgendeines beliebigen Programms eine Verpflichtung gegenüber den anderen Tänzern übernehmen. Diese Verpflichtung bedeutet, dass wir unseren angemessenen Anteil tanzen müssen. In dem Maße, in dem wir nicht diesen Anteil tanzen können, stellen wir eine Belastung für die anderen Tänzer dar, eine Bürde, die wir ihnen einseitig auferlegt haben dadurch, dass wir uns in ihren Square stellen. Aber was ist unser 'angemessener Anteil'? - Ich glaube, dass dieser mit der Erfahrung in dem jeweiligen Tanzprogramm variiert:
Es ist sehr wichtig zu erkennen, dass du in der ersten Phase die Stärke anderer in Anspruch nimmst. Die Rechtfertigung dafür liegt in der Bedingung, dass du später von der ersten zur dritten Phase aufsteigen wirst und dann im Grunde die Hilfe zurückzahlst, die dir gegeben worden war.
Wenn du weitergehst, ohne die Hilfe zurückzuzahlen, die dir gegeben worden war, übervorteilst du die, die dir in das Programm folgen. Wenn du weitergehst, bevor du in deinem augenblicklichen Programm kompetent bist, dann übervorteilst du sowohl das Programm, das du verlässt, als auch das, das du neu betrittst. Aber wichtiger als alles andere: Du übervorteilst dich selbst.
[Weitere Squaredance-relevante Artikel:
www.dancing.scootback.de]
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