Western-Style-Squaredance in Schwierigkeiten

Clark Baker, 2005
(und Ralph Sweet, 1966)

Version des Originals: 2005-04-16
Version der Übersetzung: 2006-08-10

[Original: www.tiac.net/~mabaker/western-style-in-trouble.html]

Übersetzung: Martin Ingenhütt
MARTIN_INGENHUETT_AT_EUROPEAN_CALLERS_AND_TEACHERS_ASSOCIATION

Kürzlich bin ich auf ein Buch gestoßen, das Aufstieg und Fall des Squaredance in Springfield (Massachusetts) beschreibt. Mit diesem Buch will der Autor seine Leser alarmieren - denn der Squaredance habe Probleme. Nachdem er seine These dargelegt und begründet hat, beschreibt er im restlichen Buch eine neue Art von Squaredance, die nach seiner Meinung mit der bekannten Art koexistieren kann und denen etwas bietet, denen Modern Western Squaredance zu schwierig ist oder die aus irgendeinem anderen Grund die Class unterbrechen.

Was mich am meisten beeindruckt, ist, dass das Buch 1966 geschrieben wurde und die Situation zwischen 1950 und 1965 beschreibt. Der Autor sieht das Problem, findet eine Lösung und nimmt sich die Zeit, ein Buch darüber zu schreiben. Wer Ralph Sweets Situationsanalyse vor dem Hintergrund des heutigen Squaredance dort, wo er lebt, liest, wird das Buch erstaunlich vorausschauend finden.

Aber kann uns seine Analyse von 1965 heute, vierzig Jahre später, irgendwelche Einsichten oder Hinweise geben?

Hier folgt ein Auszug aus Let's Create 'Olde Tyme' Square Dancing von Ralph Sweet (ein wenig mehr über ihn unter www.neffa.org/ grid/ perfs/ Ralph_Sweet.html). Das Copyright ist von 1966 (Ralph Sweet), es wird hier mit seiner Erlaubnis veröffentlicht. Bitte zitiere es nicht weiter.

Squaredance im Western Style

1950 wurde in Neuengland ein neuer Squaredance-Stil eingeführt, mit der Gründung des Greater Hartford Square Dance Club in Hartford (Connecticut) durch den Caller Al Brundage und gleichzeitig durch den Club seines Bruders Bob in Wilbraham (Massachusetts). 'Western Style', wie Al dies nannte, wuchs schnell, bis es 1963 etwa vierzig Clubs gab, die sich zweimal im Monat in der Gegend von Springfield trafen, und etwa fünfzehn um Hartford. [Anmerkung: Auch heute gibt es in beiden Gegenden noch Squaredancevereine; hier Links zu den Webseiten ihren Organisationen WAKA (sdne.freeservers.com/wmsarda) und CASDC (www.casdc.org)].

In ihren besten Zeiten hatten einige der größeren Vereine durchschnittlich fünfunddreißig Squares am Abend - noch mehr bei Gastcallern aus anderen Gegenden -, und in vielen anderen Clubs tanzten regelmäßig fünfzehn bis zwanzig Squares pro Abend. Jeder Verein führte einmal im Jahr eine Anfängerclass durch, viele auch zweimal jährlich. Die Classes umfassten in manchen Fällen fünfzehn Squares.

Aber im Herbst 1965 wurde es plötzlich fast unmöglich, genug Tänzer zusammenzubekommen, dass sich eine neue Class lohnte, und die Anwesenheitszahlen bei den Clubabenden fielen dramatisch.

Viele Clubs gaben ganz auf, viele führten keine Classes mehr durch, und viele machten Classes nur noch mit anderen Clubs gemeinsam. Die beiden größten und erfolgreichsten Vereine in der Gegend von Springfield konnten zusammen nur neun Paare für ihre gemeinsame Class finden. Die Anwesenheitszahlen am Clubabend waren niedrig wie nie, ein Viertel oder ein Drittel der Zahlen des Vorjahrs. Was war falsch gelaufen?

Um die Ursachen nicht analysieren zu müssen, vermuteten viele, dass Squaredance sich einfach in natürlichen 'Zyklen' abspielt. Aber hatte es vielleicht doch im Bild von 1963 versteckte Probleme gegeben, die am Ende 1965 zu dem Niedergang führten? Hätte man diesen Niedergang verhindern können, wenn man die Gründe gefunden und korrigiert hätte? Mehrere Ansätze liegen auf der Hand, wie zum Beispiel: Warum wuchs der Western Style so schnell? War dieses Wachstum schneller als gut war? Änderte der Western Style sich, als er größer wurde? War es vielleicht aussichtslos für eine neue Class geworden, oder irgendwie unattraktiv? Hatten die vielen Aussteiger etwas damit zu tun?

Warum der Squaredance wuchs

Es gab in der Gegend definitiv einen Bedarf, den der Western Style füllte. Nirgendwo sonst konnte ein Ehepaar einen derartig billigen Abend mit gutem, sauberen Spaß bekommen, mit Herausforderung, Spannung und Freundlichkeit. Das war eine neue und andere Art von Squaredance! Die alten traditionellen Tänze hatten eine armseligen Ruf bekommen, nicht immer zu Recht; aber viele stellten sich darunter etwas vor wie 'umsonst und draußen für Farmer', von denen viele die Figuren nicht beherrschten und denen das auch egal war.

Dieser neue Stil versprach, alle schlechten Aspekte des alten Tanzens zu eliminieren und alle guten zu bewahren - zumindest wurde er so beworben. Jeder konnte ihn lernen, durch Teilnahme an einer Class. Rohheit wurde ausgeschlossen durch die Organisation in Clubs und die Beschränkung auf erwachsene Paare - manche Clubs nahmen sogar nur verheiratete Paare! Zur Freundlichkeit ermuntert wurde man durch das Tragen von Namensschildern. Eine Bandbreite an Figuren und Herausforderung wurde angeboten, die der alte Stil sich niemals hätte träumen lassen. Es war unmöglich, sich die Abläufe zu merken, weil sie ständig aus den gleichen grundlegenden Calls neu zusammengesetzt wurden. Mit sechs Übungsabenden konnte man ein akzeptabler Tänzer sein und mit zwölf ein Experte. Die meisten, die anfingen, wurden vollkommen davon eingenommen, viele wurden so süchtig danach wie ein Fußballfan, der Fußball isst, Fußball trinkt und Fußball schläft und sich nur noch über Fußball unterhalten kann. Viele schliefen sogar schlecht ein nach einem Abend mit ihrem neuen aufregenden Hobby.

Dieser alles verzehrende Effekt führte innerhalb weniger Jahren dazu, dass viele Paare in ihren Heimatstädten neue Clubs gründeten, und auch zu einigen neuen Callern.

1956 gab es dann genug Clubs in der Gegend von Hartford und Springfield zur Gründung einer Organisation mit dem Ziel, 'große Veranstaltungen oder Gastcaller zu koordinieren, um Terminkollisionen zu vermeiden'. Beim ersten Treffen in Wilbraham waren sieben Clubs anwesend, und zwar die aus Vernon, Wilbraham, West Springfield, Hampden, Agawam, Sixteen Acres und Chicopee. In diesen Vereinen waren Bob Brundage, Earl Johnston und Willie Jenkins als Caller und Lehrer engagiert. Kurz danach kamen hinzu: Der Greater Hartford Club (mit dem Caller Al Brundage), der Pioneer Valley Club aus Westfield und der Enfield Square Dance Club.

Bis dahin hatte sich das Wachstum geographisch verteilt. Innerhalb weniger Jahre aber gab es so viele Vereine, dass eine Koordination unmöglich wurde. Das beste, das die Koordinatoren tun konnten, war, einen Monatskalender der Ereignisse herauszugeben, der heute immer noch seine Aufgabe hervorragend erfüllt durch das Veröffentlichen von Veranstaltungsdaten und -orten. Diese Werbung ist allerdings streng auf Aktivitäten beschränkt, die von Clubs ausgehen. Heute (1965) gibt es 65 Vereine, die der Kalender von Springfield abdeckt, mit 45 Callern. Eine ähnliche Organisation mit etwa vierzig Clubs gibt es in der Gegend von Hartford (Connecticut).

Zu schnelles Wachstum

Aus verschiedenen Gründen nahm das Wachstum nach 1956 noch zu. Wie zuvor wurden einige neue Vereine in neuen Gegenden gegründet, aber viele Clubs entstanden dadurch, dass ältere auseinanderbrachen, und viele auch durch eine Gruppe neuer Caller, die darauf bedacht waren, sich an den großartigen Möglichkeiten zu Erfolg und Profit zu beteiligen. Nur sehr wenige Vereine brachen auseinander wegen Überfüllung; eher war es ein Ergebnis von Streit und Uneinigkeit unter den Mitgliedern. Wie konnte dies in einer Aktivität entstehen, deren einziger Zweck angeblich Spaß war?

Jeder Verein hing zu einen Teil von Leuten ab, die sich mehr für die Sache begeisterten als die anderen. Sie gingen oft drei- bis fünfmal in der Woche tanzen. Dann kamen sie zweimal im Monat wieder in ihren alten Heimatverein, in dem die meisten Mitglieder zweimal monatlich tanzten. Schnell war ein Tänzer, der drei- bis fünfmal wöchentlich tanzte, sicherer, und freute sich an der abwechslungsreichen, ständigen Herausforderung durch neue, schnelle Abläufe, die er von Callern der näheren und weiteren Umgebung hörte. Und schnell war er unzufrieden und ungeduldig mit dem, was er für den langweiligen und behäbigen Schritt seines eigenen Vereins undClubcallers hielt. Er war überzeugt, dass bei den anderen Clubmitglieder, wenn sie erst mit dem aufregenden und herausfordernden Stil der schnelleren Vereine in Berührung kämen, der Enthusiasmus so wachsen würde wie bei ihm selbst. Diese 'oberen zehn Prozent' neigten daher dazu, den Caller zu schnellerem und schwierigerem Callen zu bringen, egal, ob der Durchschnittstänzer mitkam oder nicht, oder auch nur Spaß daran hatte.

Die 'überaktiven zehn Prozent' wurden wegen ihrer Begeisterung und ihrer offensichtlichen Tanzfähigkeit praktisch überall Clubvorstände. Ihre Forderung nach mehr Herausforderung hatte daher einen offiziellen Charakter. Daher wurden die Caller ständig genötigt, sich dem neuesten Stil anzupassen: Nicht nur mussten sie einen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern halten, sie wussten auch, dass ihre engsten Vertrauten (inzwischen ihre Arbeitgeber) sie entweder hinauswerfen oder selbst den Club verlassen würden - worauf der Verein dann, ohne jemand, der die Arbeit tat, zerfallen würde.

Es war natürlich unmöglich, gleichzeitig diesen oberen zehn Prozent ständige Herausforderung zu bieten und am selben Abend die meisten der Zweimal-Im-Monat-Tänzer in Bewegung zu halten - besonders, wenn noch eine neue Class hinzukam. In der Folge wurden einige Caller von ihren Clubs hinausgeworfen, meist nach einem sich lang hinziehenden bitteren Kampf, der zu einer dreifachen Trennung führte: Ein Drittel engagierte einen neuen, fortschrittlicheren Caller, ein Drittel bildete einen neuen Verein mit dem alten Caller und ein Drittel hörte empört ganz mit dem Squaredance auf. Dann gab es also zwei Vereine in unmittelbarer Nachbarschaft, die um ihren Anteil an den erreichbaren Tänzern und an Kandidaten für ihre Classes kämpften.

Auftritt neuer Caller

Der Beruf des Callers sah hochattraktiv aus: Einige wenige reisende Caller verdienten immerhin 135 Dollar [650 Euro im Gegenwert von 2006] an einem einzigen Abend. Dank einer Eintrittsbeteiligung konnten sogar einige der örtlichen Caller an einem Abend über fünfzig Dollar [235 Euro 2006] verdienen. Außerdem hatte ein Caller offensichtlich Freude an seiner Arbeit. Viele überlegten, wie sie Caller werden könnten.

Die Caller, die den Western Style eingeführt hatten, waren zu Beginn alle sehr erfahren im traditionellen Stil; sie waren fast vollständige Autodidakten. Natürlich hatten sie von den alten örtlichen Callern gelernt, und einige von den Leitern ihrer Jugendfreizeitclubs, aber normalerweise nicht durch formalen Unterricht. Ihr Unterrichtsfähigkeiten hatte sich entsprechend über Jahre entwickelt. Aber wegen des allgemeinen Bedarfs fingen nun einige an, Unterricht für zukünftige Caller anzubieten, so dass jemand, sagen wir, im Februar anfangen konnte zu tanzen, im Sommer ein paar Unterrichtsstunden im Callen nehmen konnte und im September ein vollwertiger Caller und Lehrer sein konnte, bereit und interessiert, entweder einen neuen Club zu gründen oder einen existierenden für 25 Dollar pro Abend zu übernehmen.

Ein oder zwei dieser 'Produkte' führten innerhalb weniger Jahre sogar selber Unterricht im Callen durch! Das Ergebnis war, unnötig zu sagen, nicht immer im besten Interesse des Squaredance, sondern produzierte schnelle Wucherung von neuen Classes und Vereinen in Gegenden, die mit beidem schon gesättigt waren.

Die Gegend war schnell überschwemmt mit Horden neuer Tänzer, für das, was von ihnen erwartet wurde, unangemessen vorbereitet wegen der Unerfahrenheit ihrer Lehrer. Zwischen den Vereine herrschte starke Eifersucht. Wie sich später herausstellte, gab es schlicht mehr Vereine und Classes als Leute, sie zu füllen.

Änderung mit der Zeit

War Western Style an diesem Höhepunkt das gleiche, was 1950 eingeführt worden war? - Ganz und gar nicht! 1963 war er schneller, aufregender und eine größere Herausforderung als je zuvor.

1950 machte die Kenntnis von fünfzehn bis zwanzig Basiscalls - abhängig davon, wie man 'Basis' definiert - einen Experten, und zwölf Stunden Unterricht waren schon viel. Trotzdem, um weiter Herausforderung zu bieten - einer der Gründe für die Begeisterten - wurden ständig neue Calls eingeführt, 1950 zunächst Cross Trail Thru, dann 1963 Bucket of Worms und Roll the Hoop 1965. Obwohl viele der neuen Figuren leicht zu lernen waren und Spaß machten, waren mehr davon unbeholfen, schwer zu erklären und noch schwerer zu merken. Aber das schlimmste war, dass sie nicht nur für ein oder zwei Abende als lustiges Gimmick versucht wurden - sie wurden als ein ständiger Teil des Tanzrepertoires angesehen. Natürlich machte dies das Tanzen interessanter und zu einer größeren Herausforderung, aber schnell wurden mehr als die alten zehn Stunden Unterricht notwendig, um mit den erfahrenen Tänzern mithalten zu können. Die Kurse forderten vierzehn, dann einundzwanzig Stunden (etwa 1961), und seit 1963 galt allgemein, dass man seinen Abschluss nach 21 Stunden bekommt, aber erst nach einem weiteren Aufbaukurs von zwölf Wochen sicher tanzen konnte oder mit der entsprechenden Erfahrung, die drei Monate mit mehrmaligem Tanzen pro Woche dauerte. Einer der alten Zwölfwochen-Experten wäre, wenn er heute auftauchen würde, nicht imstande, einen kompletten Tip durchzutanzen ohne durch mehrere neue Calls kalt erwischt zu werden.

Die Schuld daran tragen zu gleichen Teilen die Caller und die Tänzer. Viele der örtlichen, und mehr noch die Gastcaller, versuchten die gewünschte Herausforderung nicht durch Variation der alten Figuren zu schaffen, sondern durch das ständige Erfinden von neuen. Dies führte zeitweilig dazu, dass diese Caller als Top-Caller galten, und dass viele Tänzer ihre Heimatclubs verließen, um sich deren Clubs anzuschließen. Leider versuchten sogar noch mehr Tänzer, ihre Heimatvereine zum 'Aufdrehen' zu bringen.

Aussteiger - Warum?

Was ist mit all den Frischgraduierten passiert? - Diesen Ruf hörte man mehr und mehr - oder hätte ihn im Laufe der Zeit hören sollen. Sogar in den besten Zeiten war dies ein großes Problem, aber neue Tänzer wurden in genügender Stückzahl produziert, dass die Anwesenheitszahlen am Clubabend zunahmen, und so wurde die eigentliche Frage ignoriert. Aber hier liegt nach Überzeugung vieler die Antwort auf das Problem von 1965.

Wir wollen uns die Zahlen der Aussteiger aus Classes und Clubs in den besten Zeiten ansehen. Die meisten Caller der Gegend sind sich einig, dass die folgenden Zahlen typisch sind - manche davon stammen aus tatsächlichen Umfragen.

In jenen fetten Jahren galt man als armer Club, wenn man nicht sechs Squares zu einer Class aufstellen konnte; viele unterrichteten sieben und ein paar bis zu fünfzehn Squares. Trotzdem: Obwohl alle noch bei der Graduation anwesend waren, konnte man wetten, dass am ersten Clubabend zwei Wochen später die Hälfte davon nicht wiederkommen würde. Die endgültige Zahl, nach mehreren Clubabenden war etwa 25 Prozent der Teilnehmer der neuen Class. Aber warum wollte irgendjemand geduldig 21 Wochen eine Class besuchen und dann plötzlich aussteigen?

Ein Aspekt war natürlich, dass sie, nachdem sie sich 21 Wochen lang zum regelmäßigen Kommen gezwungen hatten, einen Schein erhielten, auf dem stand, dass sie den Squaredance beherrschten - und so dachten sie, sie könnten kommen, wenn sie wollten. Andererseits war bei vielen die Begeisterung direkt am Abend der eigenen Graduation gedämpft worden.

Diese Graduation-Parties waren angeblich von und für die Neugraduierten, um 21 arbeitsreiche Wochen mit einem tollen Abend zu krönen, der ihn dazu animieren sollte, zu den Clubabenden zu kommen. Diese Parties waren oft ein Schock für den neuen Tänzer, obwohl das Programm tatsächlich für ihn alleine geplant war, und auch wenn die Clubmitglieder alles daransetzen, ihn willkommen fühlen zu lassen.

Im Unterricht wurden die meisten Abläufe 'trocken' durchgegangen, bevor sie zur Musik getanzt wurden. Die Musik wurde oft langsamer gespielt. Es gab nur wenige Singingcalls, weil kaum Zeit war, die notwendigen Grundlagen zu erarbeiten, ohne Zeit für Spaß wegzunehmen. Nun war der Neuling zum ersten Mal mit einem ganzen Abend ohne einen 'trockenen' vorherigen Durchlauf konfrontiert, alles wurde im vollen Tempo getanzt (auch Abläufe, die erste eine Woche vorher gelernt worden waren), und jede zweite Nummer war ein Singingcall, wo der Caller unmöglich auf langsame Squares warten kann. Allein das bedeutete eine echte Herausforderung für den Graduierten.

Trotzdem - wenn der Caller allein die Neugraduierten bediente, konnte er sogar am Abend der Graduation sicher sein, von den Clubmitgliedern Kommentare zu hören wie etwa: 'Ist das denn alles, was wir heute Abend machen?' oder 'Nicht schon wieder das!' Diese Kommentare waren auch dann verheerend, wenn sie nicht ausdrücklich an die Frischgraduierten gerichtet waren. Clubmitglieder erwarteten oft einfach viel zu viel von den neuen Tänzern. Oft wurden ihnen Grimassen geschnitten oder sie wurden offen angegriffen, wenn ein Square zusammenbrach. Der Caller war oft unter Druck, zumindest einen Tip 'nur für die Erfahrenen' zu callen, wenn nicht, ihnen den ganzen Abend eine Herausforderung zu bieten - wenn die Neuen allein schon bis zur Grenze und darüber hinaus gefordert waren, zu tun, was man von ihnen erwartete, im Volltempo.

Diejenigen Graduierten, die mal eine oder zwei Wochen freimachten und dann wiederkamen, waren noch schlechter dran. Nicht nur, dass mehrere neue Calls an den Abenden unterrichtet wurden, die er versäumt hatte (um die neuen Tänzer 'auf Clublevel zu bringen'), aber er hatte auch ein paar der letzten Calls vergesssen, die an den letzten drei Abenden Unterrichtsstunden gelehrt worden waren, und die scheinbar den ganzen Abend gecallt wurden. Er war nur ein klein wenig langsam bei Square Thru und Wheel and Deal, und wenn er eine Mikrosekunde zu spät zum Allemande Left kam, wurde er meist angegriffen.

Diejenigen, die diesen Ausleseprozess überlebten, standen es vielleicht drei Jahre durch. In den meisten Fällen hatte es jemand, der aus 'guten Gründen' (wie etwa Krankheit oder ein Baby) unterbrechen musste, schwer, wieder einzusteigen. Seine Reaktionszeit war langsamer geworden, aber das Tanzen schneller, und neue Calls waren hinzugekommen. Wenige, die aufgehört hatten, konnten ohne ein Auffrischkurs wieder einsteigen, und deshalb kamen nur die größten Enthusiasten wieder. Nach vier Jahren waren nur noch etwa zehn Prozent der Originaltänzer von jeder beliebigen graduierten Class da.

Natürlich können nicht alle Aussteiger den Western Squaredance dafür verantwortlich machen. Auch das traditionelle Tanzen hatte Aussteiger. Squaredance ist deshalb eine Besonderheit unter den Hobbies, weil beide Partner mitmachen müssen. Das führt zu Problemen mit einem Babysitter, die es bei anderen Sportarten wie Kegeln, Jagen oder Golf nicht gibt. Außerdem muss es beiden Partnern Spaß machen, und beide müssen sich unter anderen Leuten wohlfühlen. Sie müssen lächeln können, wenn jemand einen Fehler macht, ein anderer oder sie selbst. Viele sind zu dem Kurs gedrängt worden, durch ihren Partner oder weil man das in ihrer Nachbarschaft so tat. Etwa der Hälfte davon gefiel es mit der Zeit, aber es gibt viele Fälle, wo ein Mann oder eine Frau sich missmutig durch den Kurs kämpfen und nur ihrem Partner zuliebe mitmachen. Es gibt auch Perfektionisten, sogar unter den Anfängern, oder Leute mit einem Verfolgungswahn, die glauben, dass sie selbst jedesmal daran schuld sind, wenn der Square zusammenbricht. Ihnen ist normalerweise nach dem ersten Tip der Abend verdorben. Es gibt also viele Qualitäten, die ein Paar haben muss, um den Squaredance zu überleben.

Und wieder: Von jemand, der sehr aktiv ist in Haus, Kirche, Politik oder ähnlichem, kann auch, wenn er den Squaredance sehr mag, nicht erwartet werden, zu einem Dreiabendeprowoche-Begeisterten zu werden. Wenn ihnen ihre anderen Aktivitäten nur zwei Abende im Monat erlauben, um im eigenen Verein zu tanzen, werden sie nicht lange mit dem Western Style weitermachen können.

Daher können wir nicht sagen, dass für alle Aussteiger die Schuld im Western-Style-Squaredance liegt. Dennoch tragen diese Gründe sicher im großen Stil zum Problem bei, und vielleicht etwas über die Hälfte der Ausstiege können ihnen zugeschrieben werden.

Zusammenfassung

Die Koordinatoren der Gegend um Springfield schätzten im Herbst 1965 etwa zehntausend Tänzer in ihrem Einzugsgebiet, auf Basis der Club-Mitgliederzahlen. Eine realistischere Zahl wären die tatsächlichen Tänzer, die durch Multiplizieren der Anzahl der Vereine mit der durchschnittlichen Zahl von Anwesenden auf etwa 4000 Leute kommt. Eine konservative Schätzung derer, die in den letzten zehn Jahren eine Class besucht haben, kommt auf etwa dreißigtausend. Das repräsentiert einen recht großen Anteil der in Frage kommenden Bevölkerung, nämlich verheiratete Paare, wo der Ehemann tagsüber arbeitet. Was tun die geschätzten vierundzwanzigtausend heute für oder gegen den Squaredance? Es gibt mindestens sechs solcher Aussteiger für jeden aktiven Tänzer! Viele sind überzeugt, dass dies der Schlüssel zu dem Problem ist.

Es war nie möglich, irgendjemand in Neuengland durch normale Werbung dazu zu bewegen, eine Squaredanceclass zu besuchen. Es schien 'zu hinterwäldlerisch' oder 'zu brutal'. Neue Interessenten mussten beschwatzt, genervt und praktisch genötigt werden, zum ersten Abend zu kommen, und manche jammerten den ganzen Weg über, sie seien krank. Waren sie erst da, machte es ihnen normalerweise Spaß. Für jeden potentielle Tänzer kommen auf einen Freund, der ihn zu gewinnen sucht, sechs Bekannte, die ihm sagen, dass Squaredance eine Rattenjagd ist: 'Du musst zweimal die Woche hingehen, nur um dabeibleiben zu können'. In zehn oder fünfzehn Jahren werden die meisten in Frage kommenden Tänzer schon durch das Sieb gefallen sein und nur andere davon abhalten, es zu versuchen. Keiner davon hat sich dem traditionellen Squaredance zugewandt, weil sie von Anfang an etwas dagegen hatten. Ihnen war beigebracht worden, dass der einzige richtige Spaß von der ständigen Herausforderung kommt, immer neue Calls immer schneller auszuführen. Daher konnten sie sich nicht damit vergnügen, alte Familientänze zu tanzen, und wenn sie mit der Herausforderung nicht durch mindestens wöchentlich regelmäßiges Tanzen Schritt halten konnten, waren sie schnell für jeder Form von Squaredance verloren. Verschiedene tapfere Versuche wurden unternommen, diese Aussteiger mit Oldieabenden, Auffrischkursen und dergleichen zu gewinnen, schlugen aber fehl.

Was können Western-Style-Caller tun, damit ihr Tanzstil in der jetzigen Form weiterlebt? Die meisten Caller, die dies fragen, meinen eigentlich nicht wörtlich die 'jetzige Form'. Was sie meinen ist: Wenn wir erst einmal so weitermachen wie bisher, wie können wir möglichst viele Tänzer behalten und trotzdem ständig weiter zwei bis drei neue Calls im Monat hinzuzufügen und gleichzeitig Geschwindigkeit und Schwierigkeit erhöhen? Viele Kommentare sind zu hören, wie etwa: 'Was keinen Fortschritt hat, stirbt', und 'wir müssen den Squaredance ständig verbessern; die Tänzer werden schon entscheiden, welche Calls sie mögen und welche nicht.'

Der einzige Weg, auf dem der Western Style 'Fortschritte macht', ist schon bekannt: Jährliches Ansteigen der Zahl der nötigen Unterrichtsstunden und gleichzeitig nach neuen und immer größeren Bevölkerungsgruppen suchen, weil viele ausgesiebt werden müssen für jeden einzelnen, der dabeibleibt.

In einer Gegend, wo ihnen die Tänzer ausgegangen sind, weil die Zielgruppen schon durchgesiebt woren sind, und die Abgewiesenen schon aktiv neue Interessenten entmutigen, wird es auf die Dauer unmöglich werden, das gegenwärtige Niveau von Komplexität zu halten, außer für wenige privilegierte Gruppen. Sogar das Halten des gegenwärtigen Niveaus erfordert große Classes und das Aussortieren der Besten daraus, ähnlich dem Farm-Team-System im Baseball. Seit zwei Jahren ist in der Gegend von Springfield die Zahl der Aussteiger schon größer als die der Neueinsteiger. Es ist äußerst zweifelhaft, ob der Western Style längere Zeit in irgendeiner Gegend weiterbestehen kann, wenn er wie bisher unbegrenzt in Geschwindigkeit und Komplexität zunimmt.

Gibt es eine Lösung? Das nächste Kapitel untersucht den traditionellen Squaredance als Versuch, eine Lösung zu finden.

[Anmerkung des Übersetzers: Hier endet das erste Kapitel von Ralph Sweets Buch; die weiteren Kapitel beschreiben dann eine andere Art von Squaredance, die sich mehr an seiner traditionellen Spielart orientiert.]

[Weitere Squaredance-relevante Artikel: www.dancing.scootback.de]
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