Ein Interview mit Ed Gilmore

(Winter 1961, Mission Inn Hotel, Riverside, Kalifornien)

(Version der Übersetzung: 2007-01-22)
[Original: www.dosado.com/articles/gil2.htm]

Übersetzung: Martin Ingenhütt
MARTIN_INGENHUETT_AT_EUROPEAN_CALLERS_AND_TEACHERS_ASSOCIATION

Teil 1

Jack Luby: Ed ist einer der führenden Squaredancecaller und -lehrer in Amerika, und ich möchte jetzt im Interview gerne von Ed erfahren, wie Squaredance in Amerika organisiert ist.

Ed Gilmore: Die übliche Form in den USA und Kanada sind Squaredanceclubs - Vereine aus Nachbarn und Freunden. Normalerweise werden die, die sich zum Tanzen treffen, auch in den großen Städten Gruppen von Freunden und Bekannten sein, auch wenn sie manchmal verstreut über verschiedene Stadtviertel wohnen. So geht das überall in den USA und Kanada: Also keine Tanzveranstaltungen, die offen sind für jeden.

Jack: Das bedeutet, die meisten Vereine gehen von verheirateten Paaren aus... stimmt's?

Ed: Jawohl. Weißt du, das muss ich ja nicht erklären, ein regelmäßiger Tanzpartner ist eine Vorbedingung für Squaredance, und wenn man Leute mit festen Partnern sucht, ist die beste Methode, sie unter Verheirateten zu suchen. Ja, wir haben sogar jahrelang in unseren Kursen Singles nicht angenommen, es sei denn, sie hatten einen Tanzpartner. Es hat sich gezeigt, dass es nicht funktionierte, die Paare zu trennen undsoweiter, nichtmal zu Unterrichtszwecken, und darum haben wir ihnen selbst die Verantwortung zugeschoben. Und ich würde sagen, mehr als 90 Prozent der Teilnehmer sind verheiratete Paare.

Jack: Um gleich nochmal auf die Grundlagen des Squaredance zu sprechen zu kommen - Ed, du gibst viel Anfängerunterricht, nicht wahr?

Ed: Ja, hab ich gemacht. Ich kann das jetzt leider nicht mehr, weil wir ja ständig herumreisen; ich kann keine Anfängerklassen mehr durchführen, aber meine Frau und ich unterrichten bei uns.

Eben, als du uns vorgestellt hast, hast du gesagt, wir kämen aus Hollyood, aber wir wohnen in Riverside, Kalifornien, 60 km von Hollywood, in dem weltberühmten Mission Inn. In dieser Gegend, in dieser Stadt und in Redlands, in der Nähe, haben wir über 4000 Leuten das Tanzen beigebracht. Unser größter Kurs war in Redlands mit 764 Leuten in einer Class! Hier in Riverside, eine Straße weiter von hier aus, haben wir 542 Leute in der Class. In Südkalifornien haben wir jahrelang unterrichtet und für Vereine gecallt, bevor der Druck zum Herumreisen und im ganzen Land zu unterrichten und zu callen es schließlich unumgänglich gemacht hat, sich auf eins von beiden zu beschränken - wir touren jetzt ungefähr zehn Monate im Jahr durch die USA und Kanada, in den letzten sechs Jahren.

Jack: In den letzten zwei Jahren hat es eine Menge Kontroversen gegeben um schwieriges Callen und schnelle Directionals, und ich glaube, du bist eher ein Perfektionist im Squaredance. Was für eine Haltung hast du so allgemein der Sache gegenüber?

Ed: Meine Meinung hat sich nicht sehr geändert. Ich werde wohl einer der ersten gewesen sein, der das freie Callen als solches einführte. Wir haben das als Mittel benutzt, um Squaredance zu vereinfachen, weil, als wir anfingen - damals als ich zu callen anfing und meine ersten Erfahrungen machte, ging man so vor, ganze Tänze zu unterrichten als auswendiggelernte Abfolgen. Das waren Visiting-Couples-Tänze, vor fünfzehn Jahren, und das gab es im ganzen Land: Die haben den Leuten die kompletten Abfolgen beigebracht. Mit anderen Worten: Du hast einen ganzen Tanz gelernt und hast dabei natürlich auch Right and Left Thrus und Chains gelernt, aber halt als Teil des Ablaufs - also einen kompletten Tanz. Und dann hat der Caller den Call nicht geändert, er callte es also immer gleich jedes Mal - gleiche Einleitung, gleiche Figuren - normalerweise also vier Durchgänge der gleichen Abfolge für jedes Paar bei diesen frühen Tänzen, den Visiting-Couples-Tänzen.

Da hatten wir das Problem, dass wenn jemand ein paar Wochen krank war oder eine Zeitlang wegfuhr und dann zurückkam, dass dann der Caller in der Zwischenzeit eine Reihe neue Abläufe unterrichtet hatte, und derjenige kannte diese Abläufe nicht und konnte nicht mittanzen. Also hab ich die Sache auf die grundlegenden Figuren reduziert, die ersten 'Basis-Figuren', in der Hoffnung, zu vereinfachen: Wenn sie nur hinhören und eine Figur nach der anderen ausführen, dass dann nicht verlangt würde, sich etwas zu merken. Das würde dann die ganze Arbeit des Auswendiglernens dem Caller aufbürden. Das hat sehr schön funktioniert, denn jetzt konnten sie kommen und Right & Left Thru, Swing, Promenade, Dosado und so weiter lernen. Wir hatten ungefähr zehn Basisfiguren und so vierzehn oder fünfzehn weitere, die nicht so häufig gebraucht wurden. Alles zusammen 24 Ausdrücke und Figuren zu lernen, und damit konnten sie alles tanzen. Man musste nur zuhören, immer nur eine Figur ausführen, man konnte alles tanzen. Wenn eine der zusätzlichen Figuren in einem Tanz kam, ist der Caller die vorher einmal kurz durchgegangen und hat dann den Tanz gecallt.

Das stellte sich als Bumerang heraus, er kam zurück und hat mir die Stelzen weggehauen. Denn das erste was passierte: Es wurde wichtig zu sehen, wie kompliziert man die Figuren kombinieren konnte und wie schnell, in einer Art Wettbewerb. Jeder Tänzer war plötzlich in einem Wettbewerb mit den anderen sieben, sozusagen, statt mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Figur umzusetzen. Es ging plötzlich darum, wer zuerst da ist. Es erzeugte eine Wettkampfstimmung zwischen Caller und Tänzer. Der Caller also: 'Hier traust du dich nicht ran', und der Tänzer 'Call du mal, wir machen das schon. Halt den Ball flach.'

Das ist also eine Sache, wo die Tänzer durchmüssen, und wir haben jahrelang damit kämpfen müssen. [Das ist] eine bestimmte Phase in der Anfängerzeit, an einer bestimmten Stelle in seiner Entwicklung - da werden manche Anfänger von dem schnellen Timing mitgerissen. Ein Test in körperlicher und geistiger Wachheit. 'Wie schnell kann ich das hören, verarbeiten und umsetzen?'. Je schneller, denkt er, umso mehr hat er davon. Aber dann - das sind ja immer nur zehn Prozent von allen, diese Übereifrigen - der Durchschnitt, der eine Class mitmacht, wird nie dahin kommen, weil er nie so begeistert sein wird vom Squaredance. Er sieht gerade mal ein, einmal pro Woche oder zweimal im Monat hinzugehen, wenn sie ihn [mitmachen] lassen. Und die eifrigen zehn Prozent können nicht abwarten bis morgen Abend, weil da woanders getanzt wird; die kriegen also fünf- bis zehnmal soviel Übung.

Also musst du beide Leute bedienen in einer Gruppe. Wir können nicht Punkte vergeben, oder die irgendwie in Klassen einteilen. Nach einiger Zeit wird der Eifrige das ständige Schritt für Schritt müde und versucht, dranzubleiben und mehr Figuren zu lernen und schneller zu sein. Und der da möchte langsamer werden, und wird es auch, wenn sie ihn lassen. Wenn er nur einen Platz findet, wo er einfach tanzen kann und nur tanzen, einfach zum Spaß.

Das Grundproblem, was überall zugrundeliegt, ist die Ausbildung von Führungsqualitäten. Die Ausbildung von Caller-Lehrern, die selbst die Tänzer darin ausbilden und Tänzer entwickeln, die diese Probleme verstehen und sich an ein paar ganz einfache Wahrheiten halten - und jetzt kommen diese Wahrheiten:

Squaredance ist eine Gruppenaktivität. Du brauchst eine Gruppe, wenn du Squaredance haben willst. Das geht nicht mit einem Einzelpaar. OK - was haben wir, wenn wir eine Gruppe haben? Wenn du rausgehst und dir ein paar Leute suchst, um anzufangen - irgendwo in der Nachbarschaft, eine Anfängergruppe? Ich werde jeden Grad von geistiger Fähigkeit und körperlicher Beweglichkeit in der Gruppe haben. Und jeden Grad von Begeisterung - von ganz wenig begeistert bis sehr begeistert, also eine große Spannweite.

Ich werde also Leute haben, die weitermachen aber nur - also, diesem Mann ist es vielleicht ziemlich egal, ob sie nochmal hingehen, aber dann kommt er doch, weil ihn seine Frau mitschleift. Und dann hab ich in der gleichen Gruppe so ein Paar, das fünfmal die Woche hingehen will, und die schieben alles andere zur Seite, sogar die Familie, die werden völlige Squaredancefanatiker.

Die sind jetzt also in der gleichen Gruppe. Der, der noch nach einer anderen Class oder einem anderen Verein sucht, damit er bei jeder Gelegenheit tanzen kann, und der, der es alle zwei Wochen ausfallen lässt, oder öfters. Aber nun sind sie beide hier, in einer Gruppe, und der Caller soll sie bedienen!

Die kann man nicht benoten oder in Gruppen einteilen, man kann nicht sagen: Du bist intelligent, und du bist blöd - du bist begeistert, und dir ist alles egal, dir ist es dermaßen egal, dass wir dich in eine andere Gruppe stecken. Das ist ja alles versucht worden! Ich hab überall in den USA gecallt für handverlesene Gruppen von Tänzern, nach dem Schema: 'Wir machen einen High-Level-Club', und sie gehen dann durch die Szene wie ein Haufen Pferdehändler, besuchen alle Clubs und gucken sich jeden an und wählen dieses Paar aus und jenes Paar. Schließlich haben sie ihr kleines handverlesenes Grüppchen zusammen, und was haben sie? - Sie haben immer noch jedes Maß an geistiger und körperlicher Beweglichkeit. Vom langsamsten in dieser Gruppe bis zum schnellsten in jener Gruppe, und da geht der Wettbewerb schon wieder los.

Und wen soll der Caller jetzt bedienen? Für wen callen die Caller? Wenn wir das lang genug so betreiben, weißt du, immer nach dem Prinzip 'Wie schnell kannst du hören, übersetzen und ausführen'? Wieviele verschiedene Begriffe kannst du dir merken, wie gut ist dein Gedächtnis, deine Fähigkeit, dir etwas zu merken? Wenn das nun der Test sein soll, dann müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass ein Paar noch mit irgendjemand tanzen kann! Kein Mann und keine Frau, die auch nur gut genug sind, mit dem eigenen Partner zu tanzen, denn, lass es uns mal klar sagen, es gibt in jeder Familie normalerweise einen großen Unterschied. Er ist schneller, beweglicher. Sie kann sich vielleicht die Begriffe besser merken. Wenn wir nun also mit diesem Choreographie-Kick weitermachen, dieses militärische Exerzieren [original: 'close order drill'] mit Mädchen, wo dazugehört, sich jeden zu schnappen, den man kann, mit der einen Hand oder der anderen und jede Menge Umwege, um zum Corner zum Allemande Left zu kommen. Wenn das das 'Ende' vom Squaredance ist, dann kann es nur ein Eliminierungsprozess sein. Und genau das ist es geworden, überall im ganzen Land.

Wir haben dagegen gekämpft. Ich denke, es gibt jetzt einen großartigen Trend, ich habe schon Anzeichen gesehen, weg von dieser Art Wettbewerbstanzen. Es wird mehr Wert auf den Spaß gelegt. Mehr Wert auf gutes Tanzen in Sachen Bewegung zu Musik und Rhythmus, Timing, Fluss, natürliche Abfolgen und Figuren. Weniger wichtig, mit welcher Hand greifst du zu, sondern wie rund kannst du drehen oder Swing machen. Wie gut ist dein Timing? Bist du genau im richtigen Moment fertig? Nimmst du für jede Figur soviele Schritte, wie es richtig ist und erreichst deinen Corner im richtigen Moment? Das ist die Essenz von gutem Tanzen, von anmutiger Bewegung.

Das sind die Sachen, die nie alt werden, weil Tanzen seit Beginn der menschlichen Geschichte immer eine der wichtigsten Arten war, Gefühle auszudrücken. Es ist nicht nur eine Körperübung! Wenn diese ausgedrückten Gefühle dann solche von Wettbewerb sind, ist das direkt gegen die ganze Idee von Squaredance, denn der ist hundertprozentige Koordination. Der Beweis ist, dass immer wenn ein Square tanzt und es kommt alles zusammen - jeder ist genau da, wo er sein soll, im richtigen Moment, und es fließt und fühlt sich geschmeidig an, es gibt kein Zögern oder Warten auf irgendjemand, und sie enden genau mit der Musik und mit dem Caller (manchmal sogar gegen ihn), und sie hören genau im richtigen Moment auf - dann klatscht jeder wie verrückt. Und sie applaudieren sich selbst, weil sie den Tanz geschafft haben.

Aber wenn genau die gleiche Gruppe durcheinander gerät, in Verwirrung und Chaos, und sie kommen raus und wieder rein, tanzen weiter und geraten wieder durcheinander - dann applaudieren sie nicht viel nachher.

Vielleicht ist gut gecallt worden, aber sie wußten nicht, wie sie hätten gut tanzen können, und manche wussten nicht, wie sie sauber im Rhythmus hätten bleiben sollen, weil sie zu sehr damit beschäftigt waren, neue Ausdrücke zu lernen und neue Figuren (so ist das normalerweise: Neue Namen - verwirrende Namen - für alte Figuren); sie hatten einfach zuviel damit zu tun, Figuren zu lernen, weißt du. Sie hatten keine Zeit, tanzen zu lernen. Und das ist unser Problem.

Das ist die Schuld von niemandem. Wir schieben die Schuld nicht den Callern zu, weil jeder Caller es so macht, wie er es weiß. Jeder Caller, der das Mikro nimmt, sich hinstellt und callt, callt so, wie er halt denkt, dass die Menge das gerne hat. [Er callt] das, was er sich vorstellt, was die Leute glücklich machen wird... Er geht doch nie absichtlich hin und macht etwas, um die Leute zu vertreiben!

Es bleibt die Tatsache, dass in den USA in den letzten zehn Jahren - und besonders in den letzten fünf oder sechs - Tausende neue Caller angefangen haben ohne jede Ausbildung. Überhaupt keine Ausbildung! Die Mehrheit konnte nicht mal gut tanzen. Die wussten gar nichts, als sie mit dem Callen anfingen. Aber sie versuchen, anderen das Tanzen beizubringen und callen für sie. Der Tänzer, der in so etwas hereinkommt, ist ein Opfer der Umstände; daran ist niemand schuld, aber trotzdem wird er für eine kurze Zeit Squaredance machen und dann aufhören. Wir hatten in diesem Land - wir haben das mal untersucht, so genau wie möglich - und da kam etwas heraus wie 85 Prozent Ausstiege in zwei Jahren!

Die Caller sehen das. Das weiß ich, denn ich habe eine Menge Kurse in 'Leadership' gehalten, und die Zahl der Einladungen, Anfragen von Callervereinen, von Callergruppen (wir machen meistens ein langes Wochenende, Freitag, Samstag, Sonntag) - die Einladungen zu dieser Art von Themen haben enorm zugenommen. In dieser Saison habe ich zwanzig verlängerte Wochenenden gemacht - für regionale Gruppen und sogar landesweite Vereine. Sie sehen, dass etwas faul ist; wir halten die Leute nicht. Es muss da einen besseren Weg geben, und sie suchen Hilfe. Grundsätzlich ist das das Problem - Caller sind erstmal an den Tänzern interessiert, und sie sind ganz begeistert, und dann lassen sie sich auf das Callen ein, und sie werden aufgesaugt und korrumpiert von diesem Spiel, Leute auf verschiedene Art hierhin und dorthin zu manövrieren.

Sie glauben, dass die Tänzer sich für Choreographie begeistern. Das tun Tänzer nicht! Das kann man leicht beweisen: Man fragt einfach mal einen Tänzer, der gerade eine Figur ausgeführt hat, mittendrin - er hat vielleicht gerade einen Right and Left Thru und dann einen Pass Thru gemacht: Dann stoppt man ihn und fragt: Welche zwei Figuren hast du gerade getanzt? - Er kann es dir nicht sagen. Er tanzt jedesmal nur eine Figur. Wenn also der Caller eine richtig geniale Abfolge nutzt, um die Tänzer von Punkt A nach Punkt B zu bringen, kriegen sie diese geniale Abfolge gar nicht mit. Nur der Caller selbst weiß, dass er genial ist. Aber er lässt sich davon wegtragen, und eigentlich machen die Caller etwas sehr natürliches, hab ich auch getan, als ich anfing. Sie callen für Caller, sie callen für sich selbst. Und sie können nur schwer glauben, wie wenig in der Choreographie nötig ist, um den Durchschnittstänzer glücklich zu machen.

Aber da gibt es jetzt eine kleine Gruppe, und unglücklicherweise sind das normalerweise die besten Freunde des Callers: Begeisterte, überbegeisterte Leute, die drei, vier, fünf Abende in der Woche tanzen gehen. Der Caller sieht diese Leute jedesmal, wenn er callt. Sie gehen mit ihm Kaffee trinken, sie fahren mit ihm zu Specials in andere Städte und zu Conventions. Sie sind immer da, und diese Leute denken fast wie Caller, und sie sagen dem Caller, was sie gerne haben.

Aber der Durchschnitt - die, die einfach reinkommen, und die machen achtzig Prozent aus oder mehr, wenn wir von den Anfängerclasses ausgehen, der Durchschnitt ruft niemals 'buh'. Der tanzt, bis ihm seine Unfähigkeit selber peinlich wird. Bis es ihm zu oft peinlich geworden ist, dass er nicht machen konnte, was der Caller gesagt hat, oder er nicht rechtzeitig am richtigen Ort war. Ohne überhaupt zu ahnen warum, verliert er das Interesse und hört auf. Er stöhnt, wenn er 'Squaredance' sagt. Und dann, wenn ihm der Nachbar erzählt, er fängt jetzt eine Class an, sagt er: 'Oooch, das hab ich auch versucht.' So haben wir schon das nächste Paar verloren. Jedesmal, wenn wir ein Paar verlieren, verlieren wir zwei. Weil ein anderes bei Gelegenheit zu ihm sagt: Wir fangen jetzt Squaredance an. Dann rümpft er die Nase und sagt: 'Hab ich versucht, ist nix. Die verknoten euch das Hirn. Dafür musst du Professor sein.' Wir haben so etwas von so vielen Leuten gehört!

Was wir versuchen, ist, ein Trainingsprogramm zu initiieren, geleitet von den Älteren, Erfahreneren. Von denen, die durch all diese Phasen schon durch sind. Die schon Geschwindigkeit und Schwieriglkeit und raffinierte Choreografie und Neuheit und Massenhysterie und Sich-in-Szene-Setzen und Witzeerzählen und alles andere hinter sich haben. Die das alles probiert haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass das einzige, was jahraus, jahrein durchgehalten werden kann, gute, fließende rhythmische Bewegung zur Musik sind und gute Geselligkeit.

Mit Riesenbetonung auf der Geselligkeit. Gerne mit anderen zusammenzusein. Solche Leute sind geeignet, den Neuen Informationen weiterzugeben. Aber der Neue fühlt sich unsicher und kann nicht warten, bis er das Gefühl hat, sich auf das Level des Älteren entwickelt hat. Da ist es ziemlich schwierig, ihn davon zu überzeugen, dass er noch von einem lernen kann, von einem Spießer, den die Geschichte längst überholt hat.

Unsere Probleme hier sind vielleicht sehr ähnlich zu denen in Australien. Ich weiß nicht, ob ihr Probleme habt; wir werden darüber reden. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass es so ist; in jeder Gruppe, die ich in den letzten elf Jahren besucht habe, haben mir die Caller und Tänzer erzählt, 'Weißt du, Ed, du kennst unsere Stadt nicht. Die ist anders. Wir haben hier eine besondere Situation. Wir haben dieses oder jenes Problem...' Und sie erzählen mir das gleiche Problem wie überall. Denn, letzten Endes, das ist es ja: Wir haben mit Menschen zu tun. Und das Problem des Squaredance ist, dass Menschen sich einfach wie Menschen aufführen. Caller sind Menschen, und sie führen sich wie Menschen auf. Wenn wir verzweifelt die Arme hochwerfen und sagen, alles ist verloren, weil sich die Menschen wie Menschen aufführen, dann gehen wir am besten hin und suchen uns die perfekte Freizeitbeschäftigung - ich hab aber keine Ahnung, was das wäre...

Aber wenn wir das erkennen, dann machen wir das Beste aus dem, was wir haben.

Ich kann ein paar Vorschläge machen, und das tue ich, und auch im großen Maßstab in den USA in Callerverbänden. Ich gebe den Leitern einige Grundsatzempfehlungen. Zuerst muss man erkennen, dass jede Freizeitbeschäftigung nur so stark oder schwach ist wie ihre Führerschaft. Und ich glaube, da wird keiner diskutieren, also müssen wir starke Führungspersönlichkeiten hervorbringen. Der Führer beim Squaredance ist erstmal der Caller; er muss der wesentliche Führer sein. Er muss gute Tänzer entwickeln, und gute Tanzleiter, die die Tänzer durch die wesentlichen Schritte führen, damit der Tanz funktioniert, damit der Verein funktioniert. Ein Minimum an Organisation, ein Minimum an Ordnungsregeln und so weiter.

Geselligkeit ist das Entscheidende. Ein Minimum an Entscheidungen durch die Gruppe als Ganze. Jedesmal, wenn du die Gruppe abstimmen lässt, hast du einen Wettbewerb. Wenn du abstimmen lässt 'Sollen wir nächste Woche Getränke und Knabberzeug bereitstellen oder nicht?', stimmen vielleicht achtzig dafür und vier dagegen. Die vier werden nächste Woche genervt sein: 'Wir würden besser keine Getränke anbieten. Ich hab dagegen gestimmt.' Sie haben verloren, und das ist wichtig. Aber wenn jemand sagt, 'Nächste Woche stellen wir Getränke und Knabbereien auf', sagen sie 'aha?', und niemand ist sauer.

Verstehst du, man muss jede Art von Wettbewerb im Squaredance vermeiden und hat bessere Erfolgschancen.

Eine längere Classzeit! Wir konnten früher den Leuten alles über Squaredance in relativ kurzer Zeit beibringen. Vor zehn Jahren, als es wenig zu unterrichten gab an Begriffen und Besonderheiten, ging das in dreißig Wochen. Wir hatten dreißig Wochen Unterricht, einmal in der Woche. Wir haben einige ziemlich fähige Tänzer gekriegt. Die sind noch nicht Tänzer, wenn sie nicht ein Jahr tanzen, weil nach dreißig Wochen keiner davon etwas wusste. Der Grund ist einfach: Sie hatten keine Übezeit gehabt. Man lernt nicht Klavierspielen, indem man hingeht und eine Stunde nimmt. Man nimmt eine Stunde, und der Lehrer gibt einem Hausaufgaben auf; dann geht man nach Hause und übt diese Übung fünfzehnmal am Tag, sechs Tage lang, dann kommt man wieder.

Genauso beim Squaredance. Man kann das nicht, wenn man es nicht geübt hat. Bei der Menge an Dingen, die heutzutage von einem Tänzer erwartet werden, um am Clubleben teilzunehmen, braucht man ein paar Jahre zum Lernen - mindestens. Ein Jahr Minimum, bevor einer in einen durchschnittlichen Verein passt, den es schon zwei Jahre oder länger gibt. Daher empfehlen wir, Classes ganz zu vermeiden. Schon das Wort. Bildet Anfängerclubs! Das Wort 'Class' hört sich nicht nach Spaß an, sondern nach Arbeit. Praktisch jeder Anfänger, den ich je unterrichtet habe, hatte dieselbe Frage auf der Zunge, wenn er hereinkam: 'Wann werde ich graduiert? Wann ist der Unterricht vorbei?', und was er damit sagte, war eigentlich: 'Wann fängt der Spaß an?'; jemand hatte ihn überzeugt, dass Squaredance Spaß macht. Wenn ich ihn zur Class bringe, denkt er, das macht keinen Spaß, das ist Arbeit, und wenn ich damit durch bin, dann kann ich Spaß haben. Also wird er zehn Wochen in die Mangel genommen, graduiert, er grapscht sich seine Graduation-Urkunde mit der kleinen heißen Faust und geht los in einen Squaredanceverein.

Und der Caller erschreckt ihn zu Tode. Sachen, von denen er noch nie gehört hat, die so schnell gehen, dass er sie unmöglich hören, übersetzen und ausführen kann, weil er keinerlei praktische Erfahrung hat. Wahrscheinlich sitzt er nächste Woche zuhause und guckt lieber Fernsehen. Eine große Anzahl von Leuten kommen nie über den Graduation-Abend hinaus. Für die ist das das Ende. Sie gehen los, probieren einen Verein aus; es ist ihnen entsetzlich peinlich - sie geben auf und sagen 'das lerne ich nie.'

Wir empfehlen Anfängerclubs. Lass eine Gruppe von Leuten zusammenkommen und zusammenbleiben, weil sie sich sicher fühlen mit den Leuten, mit denen sie angefangen haben. Sie wissen dort soviel wie jeder andere. Alle haben ganz vorne angefangen, alle sind gleich. Der Caller muss es natürlich lustig machen und langsam unterrichten. Sehr langsam unterrichten in Hinsicht auf die Menge von Stoff, und sich erstmal die Socken kaputttanzen mit jeder neuen Figur.

Es macht großen Spaß, wenn du neu beim Squaredance bist, einen Right and Left Thru zu machen. Es macht einfach durch und durch Spaß, diese große geheimnisvolle Sache, der Right and Left Thru. Der Caller muss nicht nach einer Viertelstunde stattdessen Square Thru bringen. Sie können Right and Left Thru immer und immer wieder machen, ohne dass ihnen langweilig wird. [Caller müssen] die Führungsqualitäten entwickeln, Leute zu unterrichten, sie langsam zu unterrichten, und ihnen dabei auch Rounddances, Contras, Quadrillen, Kreistänze mit Progression, Reihentänze mit Progression, sogar Squaredances mit Progression beizubringen - wir haben ein paar neue [Tänze] entwickelt für Caller.

Abwechslung und Formation, starke Betonung auf der Musik, starke Abwechslung in der Musik. Diese Dinge, das kann ich garantieren, werde ihren Charme nie verlieren. Abwechslung durch immer neue Ausdrucksweisen ist eine Krücke. Ich weiß das, ich hab es probiert. Abwechslung durch Tempo und Komplexität ist eine Krücke. Ich weiß das, ich hab es probiert. Ich hab Tempo 150 bis 160 gecallt, das Buch nach ihnen geschmissen, Massenhysterie benutzt, bin ganz, ganz leise geworden und hab dann plötzlich einen Call geschrien. Massenpsychologie, das bringt die Leute zum Schreien. Dann hab ich eines Tages hochgeguckt und gesagt: 'Wo sind sie alle hingegangen?'

Ich hab ein bisschen drüber nachgedacht, warum die Leute kommen. Sie kommen zur Entspannung und zum Vergnügen. Wenn sie Entspannung, Geselligkeit, gute Leute, gute Unterhaltung finden, bleiben sie dabei. Wenn sie Wettbewerb, Klüngel, Reibereien und Blamagen finden, gehen sie. Diese Probleme werden wir immer haben, solange wir neue Caller haben, aber wenn die Caller reifen, überall, und diese Dinge lernen, werden nach und nach und mit Geduld Tänzer entstehen und Vereine, die überleben.

Es gibt viele Vereine, die zehn oder fünfzehn Jahre alt sind, und ich glaube, es wird mehr davon geben.
[Weiter zum zweiten Teil des Interviews]

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